Dieser Vortrag beleuchtet die Eifersucht als erworbene Gefühlslage und zeigt anhand von Beispielen, wie sie Ursache für Schwierigkeiten unter Kindern, bei Liebespaaren und am Arbeitsplatz sein kann.
1. Was ist Eifersucht?
Eifersucht ist ein Gefühl, das viele Beziehungen stört. Eifersucht ist zum Teil gut sichtbar, zum grösseren Teil wird sie jedoch nicht erkannt. Heute möchte ich gerne die Eifersucht als oft nagendes und brennendes Gefühl mit Ihnen besprechen, ihre Ursache verstehen und Möglichkeiten darstellen, wie aus diesem Verständnis heraus Eifersucht behoben werden kann.
Eifersucht ist ein Gefühl, das oft verurteilt wird und das niemand haben will. Es ist auch ein sehr störendes Gefühl für einen selbst und für andere. Wir können uns damit aber nur genauer befassen, wenn wir es genauso anschauen wie jedes andere Gefühl. Wir nähern uns also auch der Eifersucht untersuchend oder forschend an und werden sie dadurch genau verstehen lernen. Dann müssen wir auch nicht behaupten, wir würden Eifersucht nicht kennen – zum Beispiel aus falscher Scham. Also wir gehen davon aus, dass alle Menschen solche Gefühle entwickeln können, auch wenn sie unterschiedlich ausgeprägt sind. In Umfragen sagen 80% der Befragten, dass sie dieses Gefühl schon bei sich festgestellt haben. Vermutlich sind es mehr.
2. Wie zeigt sich Eifersucht?
Bei Kindern sieht man Eifersucht oft am direktesten. Sie haben meistens noch nicht gelernt, ihre Gefühle zu vertuschen oder sich ihnen zu entziehen, indem sie genug Abstand zu anderen einnehmen. Aus diesen Kindern werden dann Erwachsene wie wir, aber die Gefühle haben sich normalerweise nicht geändert. Wir staunen dann manchmal, dass Eifersuchtsgefühle offensichtlich oder sichtbar werden, wenn man sich auf einen anderen Menschen näher einlässt – wie in einer Partnerschaft. Üblicherweise erhoffen sich die meisten Menschen in engeren Beziehungen mehr Zuwendung und fühlen sich deshalb leichter abgewiesen, abgeschoben, unbeachtet, übersehen, zurückgesetzt oder nicht ernst genommen. Die Unruhe in diesen Beziehungen ist deshalb meistens sehr stark.
Eifersuchtsgefühle können sich in unterschiedlichen Gefühlsannahmen zeigen. Im psychologischen Sinne versteht man unter Eifersucht gefühlte Überzeugungen oder Glaubenssätze wie:
«Ich bin weniger wichtig als ein anderer» , oder
«Ich komme zu wenig zur Geltung» , oder
«Ich komme immer zu kurz» , oder
«Man beachtet mich nicht» , oder
«Ich habe keinen Platz, ich gehöre nicht dazu», oder
«Andere wollen mich kleinhalten», oder andere ähnliche Meinungen.
Solche Grundannahmen zeigen sich in verschiedenen Verhaltensweisen. Genauer gesagt zeigen sie sich in verschiedenen unbewussten Lebensmelodien oder Gangarten, mittels denen sich der Einzelne vor diesen befürchteten Erlebnissen zu schützen versucht:
Der eine versucht, immer etwas besser zu wissen, gibt sich unangreifbar oder stellt sich immer über andere
Der zweite versucht auf ein Thema zu lenken, bei dem er sich stärker fühlt.
Der dritte macht sich immer lustig über andere, wird schnell verärgert oder wütend, greift diejenigen an oder intrigiert gegen diejenigen, die besser scheinen, oder entwertet sie auf andere Art und Weise.
Der vierte zieht sich zurück und redet gar nicht – oder erst, wenn er darum gebeten wird.
Ein fünfter legt anderen immer Steine in den Weg oder sucht immer nach einem speziellen Weg, wird eventuell auch kompliziert.
Ein sechster hat immer dann kein Interesse, wenn sein Partner, Freunde oder Arbeitskollegen etwas vorschlagen.
Ein siebter setzt gegen alle Vernunft alle Mittel ein, um seinen Vorschlag durchzusetzen.
Ein achter wird verschnupft oder traurig oder ängstlich, wenn der eigene Wunsch nicht in Erfüllung geht.
- Wir könnten jetzt noch viele weitere solcher Denk-, Gefühls- und Verhaltensweisen benennen, in denen Eifersuchtsgefühle zum Ausdruck kommen.
Eifersuchtsgefühle sind immer Schwächegefühle. Man versucht auf untaugliche Art und Weise, der eingebildeten Zurücksetzung entgegenzutreten. Man nutzt das Eifersuchtsgefühl, um Verhaltensweisen zu begründen, die das Zusammenleben erschweren. Bei klarem Verstand weiss der Eifersüchtige genau, dass er sich falsch verhält. Jede der aufgeführten Gangarten ist deshalb ein verfehlter Versuch, die eingebildete Zurücksetzung zu überwinden.
Gleichzeitig erscheinen diese Gangarten dem Betroffenen als die einzige Möglichkeit, im Zusammenleben nicht unterzugehen. Der Eifersüchtige fühlt sich nicht fähig, sich mit anderen gleichwertig zusammenzutun. Er fühlt sich zu schwach, das Leben mit den anderen zu gestalten. Man kann auch sagen, er ist sich fälschlicherweise sicher, dass er sich gegen die Mitmenschen stellen muss, um selbst jemand zu sein.
All diese Überlegungen und Deutungen will ich Ihnen im Folgenden anhand von 3 ausführlicheren Beispielen genauer vorstellen und jeweils mit allgemeinen psychologischen Befunden begründen:
3. Eifersucht bei Kindern
Beginnen wir mit zwei Kindern: Michi ist 7-jährig und Kyra 5-jährig. Beides sind liebe Kinder, wenn man sie trifft. Sie haben sehr nette und bemühte Eltern. Michi ist eher zurückgezogen, sogar in sich gekehrt. Er wird schnell wütend – oft gegen die Mutter, vor allem, wenn Kyra dabei ist. Er schubst Kyra ständig. Diese wehrt sich und schreit dabei häufig nach der Mutter. Wie so oft gewinnt die jüngere von beiden – Kyra – mit ihrer herzigen Art die Menschen im Flug. ,Sie macht Michi in allem nach, hat ihn zum Teil sogar überholt. Sie ist die Unbekümmerte und traut sich schnell, Neues auszuprobieren, hat aber wenig Durchhaltevermögen. Wenn sie sich nicht sofort beachtet fühlt, ist sie nicht mehr herzig, sondern ganz quengelig, hässig oder wütend. Zwischendurch geht es auch sehr gut und es kommt eine gute Stimmung in der Familie zustande.
Die Eltern sind ganz erschöpft, weil die Kinder immer nervös sind und immer darum kämpfen, dass man sich um sie kümmert. Man kann sagen, die Eifersucht blüht, weil beide Kinder immer ganz schnell das Gefühl haben, sie kämen zu kurz und das Geschwisterchen habe es besser. Wie kommt die Eifersucht bei solchen netten Eltern zustande? Was macht die Kinder so nervös, dass in der Schule sogar davon gesprochen wurde, ob Michi nicht ein ADS oder ein ADHS hätte?
3.1. Der Säugling – als soziales Wesen angelegt
Um eine richtige Beurteilung dieser Situation abgeben zu können, müssen wir uns zunächst die Tatsachen vor Augen halten, wie ein Kind geboren wird und wie ein Kind seine Gefühle den Menschen und der Welt gegenüber ausbildet, um dann auch verstehen zu können, wie ein Kind Eifersucht entwickelt.
Ein Kind kommt als soziales Wesen auf die Welt, das nicht für sich autonom ist. Vom ersten Tag an ist es darauf vorbereitet, mit den Mitmenschen in Verbindung zu kommen. Es handelt sich – evolutionär gesprochen – um eine Überlebensnotwendigkeit und die Grundlage für den Erfolg der menschlichen Gattung. Für den Einzelnen ist die soziale Ausrichtung Voraussetzung für die Entfaltung einer eigenständigen Persönlichkeit. Einige Fähigkeiten des Säuglings erleichtern die Entwicklung einer sozialen Verbundenheit, die im folgenden erwähnt werden.
Das Kind reagiert von Anfang an am stärksten auf menschliche hohe Stimmen, auf Gesichtsformen, auf Ansprache und kann innerhalb von Tagen oder Wochen den Geruch, den Gang, die Stimme und das Gesicht der Bezugspersonen, meistens ja von Mutter und Vater, erkennen und so vertraute Beziehungen bilden.
Die differenzierte Entwicklung einer Sprache ermöglicht es, sich über Gegenwart, Vergangenheit und sogar Zukunft mit anderen auszutauschen. Man kann sich deshalb über komplexe und abstrakte Zusammenhänge unterhalten. Wir sind deshalb darauf vorbereitet, mit anderen in besonderem Mass in Austausch zu kommen, eine enge Kooperation zu entwickeln und damit auch eine besondere Vertrautheit mit anderen herzustellen.
Das Kind erlebt vom ersten Tag an andere Menschen mit deren ganzer Gefühlswelt, zuerst meist Mutter, Vater, Geschwister oder andere Verwandte, aber auch Nachbarn, Freunde und andere Menschen. Es erlebt, ob, wann und wie man Beziehung mit ihm aufnimmt, welche Reaktionen auf seine Bemühungen kommen. Es erlebt, was die anderen gut und nicht gut finden, wie die Stimmung zwischen den Eltern ist, ob überhaupt und worüber man sich freuen kann oder sich ärgert oder Abneigung zeigt usw.. Es hat eine grosse Wirkung auf das Kind, wie die Eltern mit den anderen Menschen und über diese reden, in welchen Situationen sie sich spontan wohlfühlen oder nicht wohlfühlen. Es beachtet also nicht einfach die Verhaltensweisen der Bezugspersonen, sondern deren ganze Haltung zum Leben.
Das Kind bildet sich eine Meinung über die Welt, bevor es ausgereift denken kann. Alle Erlebnisse bewertet es nach und nach immer einseitiger gemäss dieser sich festigenden Meinung. Diese immer festgelegteren Überzeugungen sichert es mit seinen spontanen Gefühlen ab. Es interpretiert immer eindeutiger, was andere tun und wie es mit ihnen umgehen kann und «weiss» immer besser, was es sich erlauben kann, wo es Gefahren fürchten muss, was ihm Freude machen kann, wo es sich wohlfühlen kann. Der Mensch bewegt sich also im Leben so, wie er aufgrund seiner frühen Erlebnisse und seiner Beurteilung dieser Erlebnisse glaubt, am besten durchs Leben zu kommen. Im Gehirn kann man diesen Vorgang als zunehmende Vernetzung der rund 85 Milliarden Gehirnzellen miteinander zeigen, von denen sich jede einzelne mit bis zu 10 000 anderen Nervenzellen verbindet.
Wenn zum Beispiel ein Kind erlebt, dass sich die anderen ständig ärgern, «weiss» das Kind bald, wie die Welt ist und versucht, sich in dieser vorgefundenen Welt zurechtzufinden. Ein Kind reagiert zum Beispiel auf diese Situation damit, immer ganz aktiv zu sein, ein anderes zieht sich schnell zurück, ein drittes versucht, immer auszugleichen, ein viertes ist immer lustig usw.. Diese früh entwickelten Gefühlsreaktionen mit entsprechenden Haltungen und Verhaltensweisen nimmt jedes Kind ins Erwachsenenleben mit. Der Erwachsene meint dann, sich in der Welt auszukennen und ordnet alle Erlebnisse gemäss dieser früh zurechtgereimten Überzeugungen ein, ganz egal, ob diese eigenen Deutungen etwas mit der Realität zu tun haben oder nicht.
Je nach Erfahrungen und Gefühlseindrücken in den ersten Jahren der Kindheit registrieren und beurteilen wir Erlebnisse und reagieren darauf. Dementsprechend finden an einem Vortragsabend wie diesem die einen: «Toll, dass so viele Menschen da sind. Da fühle ich mich ganz wohl.» Oder die anderen haben in ihrer Lebensgeschichte schon anderes erlebt und finden: «Oh je, so viele Leute, was denken die von mir? Soll ich lieber gleich wieder gehen?»
Die Gefühle verhelfen dem Menschen dazu, die gebildete Meinung über die Welt sicherzustellen. So muss er nicht in jeder Situation von Neuem herausfinden, was angemessen ist. Nur so kann er spontan handeln, ohne alles von neuem abwägen zu müssen. Zum Beispiel verhelfen solche Gefühle einem Menschen dazu abzuschätzen, ob er bei einem anderen aufpassen muss, so lange er ihn nicht kennt. Ohne Vorannahmen kann niemand spontan handeln. Sie sind nötig, um leben zu können und müssen von jedem Menschen erworben werden.
3.2. Irrtümer in der Gefühlsausstattung entstehen in den ersten Lebensjahren
Die Anfälligkeit dieser menschlichen Ausstattung besteht darin, dass diese Vorannahmen aufgrund falscher Eindrücke in der Kindheit untauglich sein und den Menschen in die Irre führen können. Es kann deshalb so weit kommen, dass ein Kind sich unter anderen Menschen nicht wohl fühlt, weil es sogar die ersten Beziehungspersonen als Bedrohung oder sogar als Feinde erlebt hat. Es nimmt diese Eindrücke ins Leben mit, lebt sie das ganze Leben aus und meint, dass diese Reaktionen selbstverständlich oder unveränderlich sind. Viele verteidigen diese verfehlten Meinungen über das Leben als ihre ureigenen, auch wenn sie im eigenen Leben grosse Schwierigkeiten mit sich bringen. Dabei hat sich niemand seine Weltsicht freiwillig aus einer Auswahl verschiedener Meinungen herausgesucht. Sie sind aufgrund zufälliger Umstände in den ersten 5 oder 6 Jahren zu den eigenen geworden und haben sich dann in den Gehirnstrukturen niedergeschlagen.
Wenn zum Beispiel klar ist, dass eine Mutter oder ein Vater auftauchende Wünsche immer erfasst und diese schnell erfüllt, dann kann beim Kind die Meinung entstehen, dass es sich nur dann wohl fühlen kann, wenn die eigenen Wünsche gut erkannt und gerne erfüllt werden. Es fällt dann schwer, einen eigenen Beitrag selbstverständlich einzubringen. Reden in dieser Erziehungssituation zum Beispiel die Eltern miteinander und gehen nicht sofort darauf ein, wenn das Kind gerne sprechen will, dann fühlt sich schon das kleine Kind spontan unwohl und äussert dies mit Wimmern, Schreien, Unruhe, Dazwischenreden oder empörter Reaktionen.
Wenn die Eltern, wie so oft, in dieser Situation ein schlechtes Gewissen bekommen, weil sie glauben, die Nervosität des Kindes hätten sie dadurch ausgelöst, dass sie dem Kind nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet hätten, dann vermitteln sie ihm auch sprachlich, dass sie sofort auf das Kind in der Weise eingehen sollten, dass sie ihre eigenen Vorstellungen immer zurückstellen. Sie sagen dann entschuldigend: «Warte nur ganz kurz, wir sind gleich fertig.» Sie zeigen ihm damit, dass es mit seinem Gefühl recht hat, abgelehnt zu sein,wenn es nicht sofort zum Zug kommt. Sie sagen und vor allem empfinden dann nicht, dass das Kind miteinbezogen werden kann und sie es auf die Zusammenarbeit im Leben hinweisen müssen, zum Beispiel mit den Worten: «Wir sprechen gerade miteinander, höre nur zu, wir haben eine gute Stimmung, das ist ganz beruhigend für Dich. Wir sehen Dich ja und Du gehörst dazu, wenn wir so Interessantes vom Leben erzählen. Setz Dich nur dazu und höre gut zu.»
Wenn die Eltern das nicht können, vermitteln sie dem Kind in vielen Hunderten und Tausenden von Situationen ein Weltbild, in dem die Erfüllung jedes Wunsches zum Wohlfühlen gehört. Dies passiert vor allem häufig, wenn die Eltern ab der Geburt des Kindes alles daran setzen, alles gut erfüllen zu können. Oft wird die ständige Zufriedenheit des Kindes der Massstab dafür, ob man als Eltern oder Betreuer alles richtig macht. Das Kind passt sich auch hier in Tausenden solcher Erlebnissen genau der Gefühlssituation der Eltern an und entwickelt schnell das Gefühl von Unzufriedenheit, von Abgelehntsein, von Zu-kurz-Gekommensein, von Ungerechtigkeit im Zusammenleben.
Die meisten Erzieher wissen nicht, dass es in der Erziehung nicht auf die Erfüllung von Wünschen ankommt, sondern auf die Beziehung, die die Eltern zu den Kindern haben. Insofern ist mit der notwendigen prompten Reaktion auf Äusserungen des Babys nicht gemeint, selbst nicht mehr vorzukommen, sondern in ein freudigen Hin-und-Her zu kommen, an dem beide, Eltern und Kind, initiativ sind und sich ganz einbringen – im Gegensatz zum Gefühl des Rechtmachens.
Diese auf Anerkennung beim Kind ausgerichete Erzieherhaltung ist gut nachvollziehbar, weil viele Eltern selbst sehr kritisierend erzogen worden sind und deshalb mit ganzer Kraft probieren, möglichst keine Kritik zu ernten. Wenn das Kind unzufrieden ist, dann erleben sie ihre eigene Kindheitssituation wieder. Sie mühen sich ab und sind oft ganz gestresst, weil sie alles daran setzen, durch ihre Kinder nicht in Frage gestellt zu werden – wenn diese zum Beispiel längere Zeit missmutig bleiben. Sie wissen nicht, dass Kinder auch kürzer oder länger unzufrieden sein dürfen und es nicht die Aufgabe der Eltern ist, jede unangenehme Gefühlslage des Kindes zu verhindern oder sofort aufzuheben. Demgegenüber ist es wichtig, mit dem Kind zusammen die vielen realen Lebenssituationen, die ein Kind noch nicht direkt bewältigen kann, kennenzulernen und miteinander angemessen zu behandeln.
Jedes Kind, das so erzogen wird, fühlt sich «berechtigterweise» abgelehnt, wenn sich die scheinbar schöne Welt ihm nicht mehr so darstellt, wie es diese kennengelernt hat. Es versucht dann, aktiv darauf hinzuwirken und sich hinzufühlen, dass es wieder gleich schön wird. Es wird Eifersuchtsgefühle entwickeln, weil es sich in Bezug auf seine Vorstellungen immer zu kurz gekommen fühlen wird.
Es hat ja erfahren, dass es sich im Leben nur dann wohlfühlen kann, wenn andere auf es eingehen. Es fühlt sich – je älter es wird – immer weniger beachtet, weil die Eltern immer weniger und sofort erfüllen können, was ihm gerade in den Sinn kommt. Es fühlt sich zurückgesetzt, nicht ernst genommen, klein gehalten, falsch behandelt, ärgert sich, wenn die Eltern sich zum Beispiel die Hand halten und es nicht in der Mitte sein darf. Nicht etwa, weil es böse ist, sondern weil es die Welt so kennengelernt hat. Je mehr die Eltern dann sagen, es solle nicht immer im Mittelpunkt stehen wollen, umso mehr fühlt sich das Kind abgelehnt. Es versucht genau das mit allen Mitteln wiederherzustellen, was es als gute Lebenssituation erlebt hat, nämlich seine Wünsche erfüllt zu bekommen. Es wird unruhig.
Häufig haben die Eltern – je länger je mehr – von der ewigen Unruhe ihres Kindes genug, nehmen sich etwas zurück oder hängen eigenen Gedanken nach oder finden, dass es ihnen jetzt reicht. Sie werden üblicherweise streng, überanstrengen sich und oft denken sie: «Jetzt komme ich auch einmal dran». Oder «Alles kann ich mir auch nicht gefallen lassen», weil sie nicht mehr weiter wissen. So setzt sich eine Abwärtsspirale in Gang, weil ein Kind immer deutlicher den Beweis erlebt, dass die Eltern gegen das Kind sind. Dann fühlt sich solch ein Kind zurückgesetzt und fängt zum Beispiel an, etwas wegzutragen oder Spielzeug auszubreiten. Bemühte Eltern lassen dann trotzdem alles stehen und liegen und sehen sich gezwungen, sich ganz mit dem Kind zu befassen, auch wenn sie sich ärgern oder schreien.
Reagiert die Mutter oder der Vater nicht, dann verstärkt das Kind seine Versuche, nicht mehr so unbeachtet zu sein. Reagieren die Eltern mit langanhaltenden Belehrungen oder heftigen Reaktionen oder auch mit intenwiven Besprechungen über die Gefühlslage des Kindes, dann ist das Kind bestätigt, dass es vorher vernachlässigt worden ist.
Das heisst: Man kann das Kind verstehen, wenn man seine logisch nachvollziehbaren Gefühls- und Verhaltensweisen nicht als Ablehnung oder Verhaltensstörungen auffasst. Indem man das Kind versteht, verbindet man sich mit ihm im Wissen, dass das Kind eine falsche Vorstellung von der Welt mitbekommen hat und das korrigieren muss, um gut leben zu können.
Kommen wir also zu dem beschriebenen Beispiel der Geschwister Michi und Kyra, 7- und 5-jährig, und deren bemühter Eltern zurück: Wie kommt dort eine Eifersucht zustande? Wie so viele Mütter und Väter sind auch diese Eltern selbst so erzogen worden, dass sie ängstlich bemüht waren, alles korrekt zu erledigen, weil sie sonst ständig kritisiert worden wären oder die Eltern traurig oder beleidigt waren.
Ohne es zu merken, versuchen sie auch ihre Kinder so zu erziehen, dass sie selbst nicht kritisiert werden. Sie behandeln sie also schon vorbeugend so, dass die Kinder nichts an ihnen auszusetzen haben. Unbewusst versuchen sie zu vermeiden, dass die Kinder sie ablehnen oder mit ihrer Unzufriedenheit zeigen, dass sie etwas falsch gemacht haben. Aufgrund dieser Lebensmelodie strengen sich diese Eltern also in der Erziehung sehr an und sind deshalb je länger je mehr erschöpft.
Nicht kritisiert werden zu wollen ist auch bei ihnen damit verbunden, sich innerlich zu distanzieren, Beziehung zu vermeiden und in ihrer eigenen Welt zu leben. Sie wollen sich also zuwenden, sind jedoch emotional oft nicht in der Lage, weil für sie Beziehung so anstrengend ist. Ihr Gefühlsirrtum besteht darin, dass sie meinen, sie müssten innerlich Abstand nehmen, um die befürchtete Kritik möglichst zu verhindern.
Diese innere Distanz der Eltern und ihre Anstrengung im Umgang erlebte Michi als Zurückweisung, was ihn beunruhigte. Er fühlte sich trotz aller Anstrengung der Eltern emotional alleine. Er versuchte, sich innerlich den Eltern anzunähern, und erreichte am meisten emotionale Nähe, wenn sie meinten, ihn korrigieren zu müssen, und sich dabei emotional ganz mit ihm beschäftigten, auch wenn sie sich ärgerten. Dementsprechend zeigte sich seine Ausrichtung auf die Eltern darin, dass er immer öfter nicht machte, was die Eltern wollten. Er war oft unzufrieden und trötzelte, wendete sich ab, hörte nicht auf sie usw..
Michi erlebte also von Geburt an Eltern, die ihn nicht nur liebten, sondern ihre Liebe aufgrund ihrer eigenen Kindheitsgefühle so zeigen wollten, dass er nie unzufrieden sein sollte, und die sich wegen dieser ständigen Anstrengung oft innerlich distanzierten, ohne das richtig zu bemerken. Er fühlte sich oft nicht erfasst und abgelehnt.
Als seine kleine Schwester Kyra dazukam, freute er sich zuerst sehr, weil er die Freude der Eltern spürte, die sich – in der Vorbereitung darauf – ihm vermehrt zuwendeten und ihm alles zeigten. Doch erlebte er nach der Geburt immer öfter, dass die Eltern sich ihm nicht so zuwendeten, wie er das kennengelernt hatte. Er fühlte sich deshalb abgelehnt, abgewiesen und alleine und griff wieder darauf zurück, was er schon vor der Geburt seiner Schwester als Ausweg erfahren hatte: nicht mitzumachen, sich zu verweigern, auf alle möglichen Arten auf sich aufmerksam zu machen.
Die Eltern konnten diese Verhaltensweisen nicht verstehen. Sie versuchten, Michis Unzufriedenheit und Eifersucht zu verhindern, doch leider auf die falsche Art und Weise. Sie strengten sich weiter an, auch beiden Kindern gerecht zu werden. Dabei gelang es immer weniger, mit den Kindern in Verbindung zu bleiben. Sie vermittelten durch ihr grosses Bemühen den Kindern stattdessen, dass sie vor allem darauf achten müssen, ob man sie genug beachtet und genug auf sie eingeht. Michi verweigerte sich immer mehr, fühlte sich alleine gelassen, zog sich zurück und wurde immer heftiger, je älter seine Schwester wurde. Er fühlte sich immer einsamer.
Kyra stellte sich darauf ein, die Eltern zu erfreuen, denn das brauchten diese auch und sie selbst konnte auf diese Art und Weise gut ankommen. Je älter sie wurde, umso deutlicher wurde, dass sie eben genauso unruhig war wie Michi und sich ständig fragte, ob sie bei den Eltern ankommt. Wenn ihr Bruder zu viel Aufmerksamkeit erhielt und sie mit Herzigsein nicht genug im Mittelpunkt stehen konnte, dann zog sie alle Aufmerksamkeit auf sich, wurde ganz jammernd, wurde laut, schrie und schlug auch den Bruder.
Hier handelt es sich um ein typisches Beispiel aus dem heutigen Erziehungsalltag, wie Eifersucht unter Geschwistern entstehen kann. Die Eltern verstehen es meist nicht, weil sie sich so sehr bemühen, dass sich ihre Kinder nie zu kurz gekommen fühlen sollen. Neben dieser heute oft anzutreffenden eifersuchtshervorrufenden Situation gibt es sehr viel verschiedene Varianten für die Entstehung von Eifersucht.
Als Sonderfall möchte ich hier nur erwähnen, dass es auch Situationen gibt, in denen Eltern auf ihre Kinder eifersüchtig sind und sich mit ihnen vergleichen. Sie sind dann oft damit beschäftigt zu beweisen, dass sie immer besser sind als ihre Kinder. Noch öfter sind Eltern auf andere Eltern eifersüchtig. Diesen Eltern geht es dann vorrangig darum, selbst gut dazustehen. Ihre Gefühle gegenüber den Kindern sind dann beeinträchtigt. Ein Kind kann dann nicht verstehen, was die Eltern meinen. Ein Kind kann daraus unbewusst ableiten, immer mit allen Mitteln zu vermeiden, dass jemand eifersüchtig werden könnte.
4. Eifersucht in der Liebesbeziehung
Ich möchte nun zu einem zweiten Bereich kommen, in dem wir Eifersucht weitherum kennen – die Liebesbeziehung. Wir sprechen darüber, weil es vielen unangenehm ist, wenn sie bei sich solche Gefühle entdecken und nicht wissen, wie sie dieses lodernde Unbehagen überwinden können.
Ich möchte schon zuerst erwähnen, dass Eifersucht nie ein Hinweis für Liebe ist, auch wenn dieser Irrtum im 21. Jahrhundert immer noch weitherum verbreitet ist. Eifersucht ist immer ein Gefühl, das auf einen selbst bezogen ist. Es soll den anderen zwingen, sich anders zu benehmen und sich ganz auf den Eifersüchtigen einzustellen. Es ist ein unbewusster Versuch, andere aus dem Leben auszuschalten, um so vermeintlich genug Zuwendung zu erhalten. In vielen Kulturen besteht hingegen die Fehlmeinung, Eifersucht sei ein Zeichen von besonderer Zuneigung oder sogar, dass gar keine echte Beziehung bestehe, wenn der andere nicht eifersüchtig werde. Auch heute noch gibt es sogar unter der Jugend den vermeintlich guten Tipp, man solle den anderen eifersüchtig machen, um ihn für sich zu gewinnen. Dahinter steht die Meinung, dass Liebe als Zuneigung und Verbindung von zwei freien Persönlichkeiten gar nicht möglich ist.
In Wirklichkeit bedeutet Liebe, dass sich zwei Menschen immer besser verstehen und so viel voneinander wissen und erfassen – sich mit der Zeit so gut kennen –, dass sie sich gegenseitig viel Freude bereiten können. Liebe kann entstehen, wenn beide Partner in der Lage sind, Gefühle der Freude und Genugtuung zu entfalten, sobald man sich immer besser kennenlernt, die gegenseitige Freundschaft vertieft, sich beim anderen immer besser zurechtfindet, aufeinander gleichwertig bezogen ist und gerne dem andern das Leben erleichtert. Aus diesem Grund verbinden sich beide aus freien Stücken gerne mit dem andern. Sie fühlen sich mit der Zeit so sicher und befreundet, dass sie dieses Erlebnis gerne wiederholen möchten.
Eifersucht hingegen basiert auf einer generellen Unsicherheit eines Menschen und seiner Grundüberzeugung, dass ein anderer eigentlich gar nicht mit ihm zusammensein will. Er muss deshalb den anderen dazu zwingen, andere nicht zu beachten. Er muss Gründe herbeiführen, dass der andere sich mit ihm befasst. Der Eifersucht liegt deshalb immer ein Schwächegefühl zugrunde, wie beispielsweise, den anderen nicht direkt für sich gewinnen zu können. Oder der Eifersüchtige leidet an der falschen Überzeugung, dass zwischen Frau und Mann keine Freundschaft bestehen könne.
Der Grad der Eifersucht ist deshalb in keinster Weise ein Grad der Liebe oder der Verbundenheit, sondern ein Gradmesser für Selbstbezogenheit, ein Mangel an Verbundenheit und Zuneigung zu anderen, denen man ihr eigenes Leben abspricht. Allerdings kann Eifersucht tatsächlich sehr oft erst dann sichtbar werden, wenn sich jemand mit einem anderen Menschen tiefer einlässt. Oft schützen sich Menschen vor ihrer Eifersucht, ihrem Schwächegefühl, indem sie sich gar nie mit anderen tiefer verbinden. Lässt sich jemand näher auf einen anderen ein, zeigt sich erst, wie sicher man sich fühlt, dass ein anderer einen mit seiner ganzen Art auch gerne haben kann.
Ich möchte Ihnen auch hier ein Beispiel eines Paares vorstellen, das zu mir kam, weil die Frau die Liebe immer mehr verlor, weil ihr Mann sie schon seit einigen Jahren mit seiner Eifersucht plagte und diese nicht losbringen konnte. Nach jedem Treffen mit Bekannten und Freunden verdächtigte er sie, dass sie andere lieber habe als ihn. Sie hatte sich deshalb im Lauf der Jahre immer vorsichtiger geäussert und schaute ständig darauf, wie es ihm geht. Hatte sie sich eine Weile anderen Menschen, ob Frau oder Mann, zugewendet, beruhigte sie ihn sofort durch spezielle Zuwendung. Öfters signalisierte er mit Nichtteilnahme, dass er unzufrieden war. Dann wieder beteiligte er sich mit dem Ziel, sie nicht zum Zug kommen zu lassen. Diese Art von Eifersucht bestritt er in Gesprächen immer, weil es ihm unangenehm war und er sie aufgrund seiner Überzeugungen tatsächlich nicht sehen konnte. Deshalb meinte er, sie würde übertreiben.
Seine Eifersucht, seine Unruhe im Gemüt, seine Nervosität unter Menschen zeigte sich aber noch in vielen feineren Einstellungen und Verhaltensweisen, die die Liebe dämpfen oder verhindern. Das allgemeine Schwächegefühl bei ihm war so stark, sein Unterlegenheitsgefühl gegenüber seiner Frau war so ausgeprägt, dass er seiner Frau sehr selten eine Freude machen konnte. Er wartete ständig darauf, dass diese ihm eine Freude machte, und beklagte sich, wenn dies nicht geschah.
Genauso wenig konnte er ihre Erfolge schätzen und sie hervorheben. Stattdessen musste er immer davon reden und zeigen, was er selbst konnte. Er hätte nie davon gesprochen, dass es sich dabei um Eifersucht handelt, sondern sah sich selbst als besonders einfühlsamen Mann an. Er versuchte seine Frau immer wieder dazu zu bringen, ihm ihre besondere Liebe zu beweisen. Unter anderem unterbreitete er meist freundlich Vorschläge für Unternehmungen an den Abenden oder an den Wochenenden. Er blieb zurückhaltend bis beleidigt, wenn er sich nicht durchsetzen konnte. Er konnte sich also nie der Frau anschliessen. Ihre Vorschläge und ihre Vorlieben vergass er fast immer. Teilweise hatte er sogar in Erinnerung, dass sie Vorschläge gemacht hatte, die ihm besonders gefielen. Seine Wahrnehmung war so tendenziös, dass er sicher war, seine Frau zwinge ihm ihr Leben auf. Er meinte sogar, dass er sich ständig wegen ihr zurückstelle, war überzeugt, dass er alles für sie tat. Er konnte nicht verstehen, warum sie manchmal mit ihm unzufrieden war.
Diese Eifersuchtsgefühle waren nicht mit Anstrengung zu beheben. Sie zeigten sich in immer neuen Formen. Zuerst wollte es dem Mann nicht einleuchten, dass er überhaupt eifersüchtig war, weil er das zum einen nicht sein wollte und weil er zum anderen sicher war, dass er ein guter Mann war. Alle beschriebenen Ereignisse deutete er als Zufall oder aus einer Notwendigkeit heraus. Diese Umdeutungen der Realität unterlaufen fast allen, weil kein Mensch dem anderen schaden und deshalb seinen eigenen Beitrag lieber positiv sehen will.
Eifersucht kann man auch nicht mit guten Ratschlägen beheben. Wie im Beispiel der vorhin beschriebenen Kinder Michi und Kyra geht es darum, beim Eifersüchtigen zu erfassen, welche Vorstellungen er über das menschliche Zusammenleben entwickelt hat und wie er darin seinen Platz zu erhalten versucht.
In unserem Beispiel war der eifersüchtige Mann mit einem Bruder aufgewachsen, mit dem er in starker Konkurrenz stand. Allerdings behauptete er, es hätte bei ihnen keine Eifersucht gegeben. Sie hätten überhaupt keine gemeinsamen Interessen gehabt und jeder sei seiner Wege gegangen. Es zeigte sich jedoch, dass dies genau das Eifersuchtsproblem widerspiegelte. Keiner von beiden konnte sich mit dem anderen befreunden. Keiner hielt es aus, dass der Bruder eventuell besser war als er selbst. Beide befassten sich in der Schule und in der Freizeit mit Themen und Aktivitäten, durch die der eine nicht in einen Vergleich mit dem anderen geriet. In jedem Moment ging es bei ihnen darum, wer wie viel Aufmerksamkeit durch seine Aktivitäten und Interessen bei den Eltern erhalten konnte. Sie stritten sich nie, im Gegensatz zu vielen anderen, die ganz offen darum kämpfen, nicht unterzugehen.
Deshalb war der eifersüchtige Mann in der Partnerschaft nicht laut und auch nicht offensichtlich abfällig. Allerdings musste er immer seine eigenen Wege gehen. Er konnte nicht zusammenarbeiten. Wollte er etwas anderes tun als die Eltern und später die Partnerin wollten, setzte er sich durch und war stolz darauf, dass er sich von niemandem etwas sagen liess.
Das Unglück besteht darin, dass dieser Mann in den ersten Lebensjahren nicht erlebt hatte, wie man sich mit anderen Menschen zusammenfinden kann. Er konnte in keiner Weise erleben, dass es eine Genugtuung ist, sich auszutauschen. Er setzte sein ganzes Sinnen und Trachten dafür ein, wie er seine eigenen Interessen durchsetzen konnte, und erlebte dabei ein Gefühl der Genugtuung. Er hatte zu wenig Gemeinschaftsgefühl entwickelt und baute deshalb sehr schnell das Gefühl auf, nicht ernst genommen zu werden, wenn seine zufällig auftauchenden Wünsche nicht befriedigt wurden. Wenn sich also seine Frau mit ihm einigen wollte, fühlte er sich schon zurückgestossen. Ihre sehr gut ausgebildete Kommunikationsfähigkeit nützten ihnen nichts, weil er seine Gefühle, abgelehnt zu sein, nicht als Produkt seiner Erziehung einordnen konnte, sondern als Ergebnis mangelnder Liebesfähigkeit seiner Frau betrachtete.
Eifersucht kann sich dementsprechend in Rückzug, in ständigem Erzählen, in Zwängen, in genauen Vorstellungen über das Leben zeigen. Sie kann sich aber auch in Kränklichkeit, in Schlaflosigkeit, in Ängsten und Depressionen äussern. Wenn die Eifersucht nicht erkannt wird, dann kann ein eifersüchtiger Mensch seinen Partner mit diesen Schwierigkeiten im Leben dazu bringen, sich ganz um ihn oder sie zu kümmern, sich nicht mehr mit anderen zu treffen, sich immer den sogenannten Launen oder Vorlieben zu beugen. Ein Eifersüchtiger erlebt kurzfristig Genugtuung, wenn der Partner auf die eigenen Wünsche eingeht, die eigentlich oft gar nicht wichtig oder sogar sehr merkwürdig sein können. Der Wunsch, dass der Partner keine andere Frau oder keinen anderen Mann treffen soll, ist deshalb nur ein Ausdruck einer irritierten Gefühlslage.
Es kann sein, dass der Eifersüchtige immer nur mit seinem Partner zu Hause bleiben will. Das passiert, wenn er sicherstellen will, dass sich der andere ganz um ihn alleine kümmert und er diese Zuwendung mit niemandem teilen muss. Eventuell tarnt er dies auch vor sich selbst als Häuslichkeit.
Es kann auch sein, dass ein Eifersüchtiger immer nur mit dem Partner Velo fahren oder wandern will und unruhig wird, wenn dieser noch mit anderen Menschen redet.
Oder der nervöse, eifersüchtige Mensch versucht dem Partner abzuringen, dass sich dieser nur zu einer bestimmten Zeit in der Woche mit Arbeitskollegen oder zu Vereinsanlässen trifft.
Eifersucht kann sogar der Grund sein, eine Wohnung einzurichten oder ein Haus zu bauen. Ja sogar der Kinderwunsch kann aus Eifersucht entstehen, nämlich dabei den Partner zu zwingen, sich nicht mehr so stark mit anderen zu befreunden.
Lassen Sie sich nicht verwirren, wenn ich Ihnen sage, dass umgekehrt auch die Ablehnung von Wandern, Velofahren, gemeinsam eine Wohnung einrichten oder Kinder zu bekommen aus Eifersucht entstehen kann. Zum Beispiel deshalb, weil sich dann der Partner mit etwas anderem als mit mir beschäftigen könnte.
Es ist deshalb nicht möglich, Eifersucht an einem bestimmten Verhalten zu erkennen. Wir erkennen Eifersucht daran, welche Meinung jemand über sich und die Welt hat und wie jemand versucht, bei anderen zur Geltung zu kommen. Wenn es sich darum handelt, den anderen zu bezwingen oder ihn nicht gleichwertig zu betrachten, weil man sich selbst nicht wichtig oder attraktiv genug findet, dann nennen wir das Eifersucht.
Wenn ich hier von Eifersucht rede, dann meine ich ausdrücklich nicht die Situation, in der es einem Partner unwohl wird, weil der andere sich andauernd der Beziehung entzieht, zum Beispiel indem er sich innerlich distanziert, immer mit anderem beschäftigt ist oder sogar ständig mit anderen flirtet.
Es kann sein, dass dieser, wird er darauf angesprochen, seinen Partner schachmatt setzt, indem er diesem Eifersucht vorwirft. Hier handelt es sich aber keineswegs um eine Eifersucht desjenigen, der sich berechtigterweise zu wenig beachtet fühlt. Das Problem liegt in der inneren Unruhe desjenigen, der ständig Bestätigung bei anderen sucht, indem er sogar den eigenen Partner vergisst oder bei jedem oder vielen Menschen anderen Geschlechts Avancen macht.
Ein solches Verhalten ist Ausdruck einer Nervosität im Leben und zeigt meistens, dass sich jemand eine engere Beziehung nicht zutraut oder gar ablehnt. Hier würde es vor allem darum gehen, den Partner darauf aufmerksam zu machen, welche Schwächegefühle er auslebt und dass er die Partnerschaft mit seiner Nervosität stört und diese Unruhe beheben muss, um eine echte Partnerschaft aufbauen zu können.
Sogenannte Eifersucht oder auch eine Verunsicherung taucht in dieser Situation deshalb auf, weil echte Empörung über einen distanzierten und sogar ablehnenden Partner zu wenig entwickelt ist.
Stellen wir hier also fest, dass Eifersucht ein Gefühlsirrtum ist, eine Meinung über das Leben, die beinhaltet, dass man glaubt, andere nicht auf direktem Weg und frei für sich gewinnen zu können, sondern aus Entmutigung mit Zwang den anderen auf einen selbst zu zentrieren versucht. Die Eifersucht wird verständlich, wenn man erarbeitet, wie die jeweiligen Eindrücken in der Kindheit beim Einzelnen gewirkt haben.
5. Eifersucht am Arbeitsplatz
Kommen wir zu einem weiteren Bereich, in dem wir Eifersucht häufig antreffen: dem Arbeitsplatz. Gerade bei der Arbeit liegt uns sehr viel daran, dass wir Anerkennung erhalten und mit anderen gut zusammenarbeiten können.
Ich will mit einem Beispiel beginnen: Eine Frau Mitte zwanzig trat bei einem Start-up-Unternehmen als Sekretärin ein. Sie arbeitete eng mit ihrem Chef zusammen und konnte ihre Ideen immer bei ihm einbringen, und ging mit ihm auch zum Essen. Sie erhielt sehr viel Lob für ihren Einsatz und ihre Ausdauer. Der Chef ging öfter auf Wünsche nach späterem Arbeitsbeginn oder früherem Arbeitsschluss ein. Der Betrieb wurde grösser. Je grösser er wurde, umso öfter fehlte die junge Frau wegen verschiedener körperlicher Beschwerden im Betrieb. Sie wurde immer unglücklicher und depressiver, hatte immer mehr am Betrieb auszusetzen, intrigierte gegen verschiedene Mitarbeiter und verlangte immer öfter besondere Vergünstigungen bei ihrem Chef. Es stellte sich heraus, dass sie sich vom Chef umso unbeachteter gefühlt hatte, je mehr Mitarbeiter eingestellt wurden. Sie achtete immer mehr darauf, wie viel Zeit der Chef mit ihr verbrachte und wie oft er Kritik an ihr äusserte, und empfand immer öfter, dass er sie falsch beurteile und andere bevorzuge. Das war in keiner Weise der Fall. Der Chef konnte sich im Gegenteil nicht erklären, warum ihre Arbeitsleistung so viel schlechter wurde und sie ihm immer mehr Vorwürfe machte. Er hinterfragte sich ständig, bemerkte aber, dass er nichts ändern konnte, auch wenn er viel mit ihr sprach.
Bei genauerer Untersuchung ihrer Gefühlslage und ihrer irrtümlichen Wahrnehmungen fand sie deren Ursache in ihren Erlebnissen in der Kindheit: Die junge Frau war mit etwas Abstand das jüngste von 3 Kindern gewesen. Sie hatte von klein auf den falschen Eindruck aufgebaut, sie würde neben den älteren Geschwistern zu wenig beachtet. Unbewusst hatte sie nach einem Ausweg gesucht. Sie hatte einen grossen Charme entwickelte, hatte sehr schnell geschrien und geschlagen, hatte sich zu Boden geworfen und beleidigt zurückgezogen, war weinerlich gewesen und hatte gelernt, um die Wette zu argumentierten. Sie hatte immer aufgezählt, wer wann mehr erhalten hatte als sie, wer bei einem Gespräch nicht auf sie eingegangen war oder Themen angesprochen hatte, die sie als Kleine nicht verstehen konnte.
Die ganze Familie hatte versucht, sie zu beruhigen, um eine friedlichere Stimmung herzustellen. Meistens hatte sie mehr erhalten oder alle wechselten bei Tisch das Thema, wenn sie sich überfordert fühlte und sich beklagte. Das konnte ihr Gefühl nicht beruhigen, benachteiligt zu sein, weil es ein irrtümliches Gefühl war, das sie selbst nicht verstand. Im Gegenteil hatte sie sich in anderen Situationen noch mehr benachteiligt gefühlt. So hatte sie ihre Anstrengung verstärkt, beachtet zu werden und hatte körperliche Beschwerden und Kränklichkeit entwickelt, die ihren eigentlich bevorzugten Platz sichern sollten, der für sie selbst gar nicht bestanden hatte.
Die Eltern hatten sie umso mehr bedauert und sich besonders um ihre so häufig kranke Tochter bemüht. So hatten sie aus Unwissenheit immer wieder von neuem ihren Gefühlsirrtum bestätigt, dass sie vernachlässigt sei. Diese verstärkten Bemühungen der Eltern erleichterte sie nicht, sondern im Gegenteil bestätigt, dass sie mit ihren Vorwürfen recht hatte. Warum sonst hätten sich die Eltern und Geschwister so sehr um sie bemühen sollen, wenn sie sich nicht vorher zu wenig um sie gekümmert hätten?
Niemand war da, der ihre Not erkannt und ihr erklärt hätte, dass sie und warum sie die andere Menschen immer wieder vor den Kopf stösst und dabei selbst ständig unzufrieden bleibt.
Diese starke und bezwingende Eifersucht baute sie im Betrieb auf, sobald sie sich zu wenig beachtet fühlte – also nachdem der Chef nicht mehr ganz alleine mit ihr arbeitete und sie nicht in jeder Situation im Auge hatte. Sie hielt diese vermeintliche Zurückweisung nicht mehr aus und kündigte die Stelle mit Getösse.
Eifersucht kann so weit gehen, dass jemand nicht mehr arbeiten will, weil andere scheinbar ein leichteres Leben haben und sich scheinbar nicht so anstrengen müssen. Das Denken und Fühlen kann sich darauf konzentrieren, dieses Ziel zu erreichen.
Eifersucht kann bekanntlich auch dazu führen, dass ein eifersüchtiger Chef einen Mitarbeiter ständig kritisiert, weil dieser im Team gut ankommt oder einiges besser weiss. Es kann sogar so weit kommen, dass jemand deshalb entlassen wird, weil er angeblich nicht teamfähig ist. Oft wird eine solche Eifersucht eines Chefs vom Betroffenen nicht erkannt und er versucht – je nach Lebensstil – mit grösster Anstrengung, diese Kritik zu verhindern – zum Beispiel durch längeres oder genaueres Arbeiten oder durch ständige Selbst – Hinterfragung.
Genauso gut kann es sein, dass ein Mitarbeiter ständig gegen einen Chef Stimmung macht, weil er sich nicht genug beachtet fühlt oder weil es ihm so vorkommt, als ob er von anderen Mitarbeitern überflügelt würde.
Es gibt hier eine grosse, oft unerkannte Möglichkeit, Schwierigkeiten und Differenzen im Betrieb zu verstehen und sie dadurch zu lösen.
6. Wie behebt man Eifersucht?
Wie beheben wir diese Eifersuchtsreaktionen, die sich in allen Bereichen des Lebens so verheerend auswirken?
Zuerst einmal, indem wir wissen, dass der Eifersüchtige in Not ist. Er sieht fälschlicherweise die anderen Menschen als Gegner und fühlt sich von ihnen zurückgesetzt, meistens sogar besonders von denjenigen, die ihm am nächsten stehen. Er versucht unbewusst mit verschiedensten Mitteln, die anderen dahin zu zwingen, sich mehr mit ihm zu beschäftigen, sogar wenn man ihn besonders stark hervorhebt und speziell behandelt.
Die Eifersucht ist eben ein Gefühl, das unabhängig von der Realität den Menschen plagt.
Die Ursache liegt – wie beschrieben – in einer verfehlten Einführung ins Leben. Die Eindrücke in den ersten fünf oder sechs Lebensjahren haben beim Kind, das eifersüchtig ist, ergeben, dass es sich ständig darum kümmern muss, nicht zu kurz zu kommen. Es hat nie oder selten das Gefühl, gleichwertig wie andere Menschen zu sein. Oder es strebt dies überhaupt nicht an. Mit dieser Meinung über das Leben und über sich selbst, nimmt dann später auch der Erwachsene alles um sich herum wahr und glaubt ständig zu entdecken, dass er nicht richtig behandelt wird. Genugtuung erlebt er fast nur, wenn er andere dazu bringen kann, ihm das Gefühl zu geben, nicht abgelehnt zu sein. Er wurde nicht so ins Leben eingeführt, sich als wichtig zu erleben, wenn er anderen weiterhelfen und sie vorwärtsbringen kann. So beschränkt sich sein Leben darauf, sich selbst vorwärts zu bringen, also sich selbst wichtig zu sehen. Wenn man den Zusammenhang mit der jetzigen Eifersucht und den Erlebnissen als Kind herstellen kann, stellt dies einen ersten Schritt zur Lösung dieses Problems dar.Eifersucht löst sich deshalb auf, wenn sich der Geplagte davon überzeugen lässt, sich anderen zuzuwenden anstatt auf Zuwendung zu warten, auf andere zuzugehen anstatt auf deren Nachfrage zu warten, anderen zu helfen anstatt andere davon zu überzeugen, ihm etwas abzunehmen. Das heisst, wenn der Eifersüchtige aktiv in der Beziehung wird, vermindert sich das Gefühl der Eifersucht immer mehr.
Wenn wir uns fragen, wie Eifersucht behoben werden kann, dann geht es auch darum, dass der Eifersüchtige seine zunächst unbewussten Zielsetzungen im Leben in Frage stellen kann. Es muss ihm gelingen, das Gefühl zu entwickeln, gleichwertig mit seinen Mitmenschen zu sein. Er könnte sich z.B. als Hilfe vorstellen, dass die Spitze ein Hochplateau ist, wo jeder Platz hat und sich ausbreiten kann.
Diese Überlegungen sind nur hilfreich, wenn der Betroffene daraus keine moralischen Aufforderungen ableitet. Eifersucht kann geheilt werden, wenn eine von innen her kommende Gefühlswandlung dahingehend in Gang kommt, sich selbst als Mitmensch zu verstehen. Das bedeutet, Genugtuung dabei erleben zu können, den Fortschritt von anderen als persönliches Glück zu erleben. Wir sagen auch, Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln. Das heisst, nicht nur bei den eigenen Kindern und deren Entwicklung uneingeschränkt mitleben und sich mitfreuen zu können,sondern auch in allen anderen Bereichen des Lebens.
Ich möchte noch etwas präziser beleuchten, wie eine solche Gefühlswandlung vor sich gehen kann:
Der Eifersüchtige muss bei mindestens einem Menschen so viel Vertrauen erleben, dass er für seine Eifersucht oder einer Verhaltensweise, die er selbst nicht als Eifersucht erkennt, nicht verurteilt wird. Erkennt er in einem psychologischen Gespräch, wie sein Verhalten und seine brennenden Gefühle mit seinen Kindheitseindrücken zusammenhängen, dann kann er nachvollziehen lernen, was ihn eigentlich plagt. Es leuchtet ihm dann immer mehr ein, wie er zu diesen starken Gefühlen und Überzeugungen gekommen ist, andere immer dazu zu bringen, sich seinen Wünschen zu beugen und ihn zu bedauern.Dieser Einblick in die eigene Geschichte und in die Entstehung der irrtümlichen Meinungen über die Welt und die Menschen ermöglicht es, sich längere Zeit mit seinen aktuellen Gefühlen zu befassen und sie in den ganzen Gefühlshaushalt, der sehr viele Facetten hat, einzuordnen. Der Mensch ist dann seinen Gefühlen nicht mehr ausgeliefert. Er kann seine innere Logik in seinen psychischen Abläufen erfassen.
Er kann dann zum Beispiel nachvollziehen, dass er die Erlebnisse mit seinen stark kritisierenden Eltern unbewusst so verarbeitet hat, dass er sich nie mehr abgelehnt fühlen will. Sein Hauptziel im Leben besteht darin, nur noch positiv beachtet zu werden. Deshalb versucht er alles zu verneinen oder zu vergessen, was ihn schlecht dastehen lässt. Deshalb wird er auch ständig auf andere eifersüchtig, bei welchen er wähnt, dass sie besser dastehen.
Gelingt ihm zunehmend ein besserer Einblick in seinen Werdegang, dann muss er seinen unverstandenen Gefühlsregungen nicht mehr recht geben. Er erkennt sie als Ausdruck einer verfehlten Betrachtung der Welt, also einer verfehlten Einführung ins Leben.